Worum geht’s?
Die Digitalisierung verändert die Art, wie wir zusammen Leben: Soziale Netzwerke verlagern einen Teil des Gesellschaftslebens in den digitalen Raum, durch zunehmende Automatisierung und neue digitale Prozesse funktioniert Arbeit heute anders als noch vor einem Jahrzehnt. Diese Entwicklungen können Angst machen. Wenn man es mit Herz und Verstand angeht, die Menschen mitnimmt und die Bürger*innenrechte achtet, dann gibt es aber keinen Grund zur Sorge. Im Gegenteil: In der digitalen Transformation liegen große Chancen für eine klimafreundlichere und gerechtere Welt.
Darum ist das wichtig:
Die Digitale Transformation ist global und längst nicht mehr aufzuhalten. Wir müssen also handeln. Wir sollten es aber auch wollen, denn die Digitale Transformation kann der Katalysator seien, den unsere Gesellschaft braucht:
- Wir können, wie Studien (hier eine stellvertretende Auswahl) annehmen, mit einer raschen Digitalisierung nahezu die Hälfte der CO2-Einsparungen realisieren*, die wir bis 2030 brauchen, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens nicht zu verfehlen. Diese Potentiale liegen dabei in verschiedensten Bereichen:
- Industrielle Produktion. Insbesondere durch größere Effizienz von Fertigungsprozessen und den so genannten Digitalen Zwilling. [1][2][3][4 ab S. 26]
- Mobilität, dort insbesondere die intelligente Verkehrssteuerung [1][4 ab S. 26][5]
- Gebäude [1][4 ab S. 26]
- Digitales Arbeiten [1][6]
- Smarte Steuerung des Stromverbrauchs von Unternehmen bspw. durch Stromtarife, die den Strompreis an die Verfügbarkeit von Strom aus erneuerbaren Energien knüpfen. [4 ab S. 26][5]
- Wir können Arbeit gerechter verteilen und mehr Zeit für Menschen, Wissenschaft und Forschung oder andere Herzensdinge gewinnen, weil durch die zunehmende Automatisierung Tätigkeiten, die heute von Menschen erledigt werden, von Maschinen übernommen werden.
- Politische Kultur verändern, hin zu mehr Bürger*innenbeteiligung und Transparenz.
Status quo:
Die durch aktuelle Studien belegten vielfältigen Potentiale (dazu schon oben) zeigen, wie wenig im Bereich der Digitalen Transformation in Deutschland passiert ist. Das ist wohl vor allem auf fehlende staatliche Steuerungsmaßnahmen zurückzuführen: Glaubt man einer Befragung der bitkom, dann ist in der Mehrheit der Unternehmen die Industrie 4.0 inzwischen ein Thema – genauso wie die Lebensrealität der Bürger*innen inzwischen digital ist. Gezielte und wirkungsvolle Maßnahmen, die Digitale Transformation zu steuern und in Bahnen zu lenken, die die Potentiale für die Umwelt zu schöpfen vermögen, gibt es kaum. Die Initiative Stadt.Land.Digital hat nur einige wenige stark regionale Projekte hervorgebracht. Auch die ganze Tragweite der digitalen Transformation scheint selten überblickt zu werden, jedenfalls fehlt es an Überlegungen, die auch bestehende Strukturen des Zusammenlebens hinterfragen und nach neuen Wegen suchen.
Wie kommen wir hier voran?
Es geht um den Prozess: Wie wollen wir in Zukunft zusammen leben?
Das Thema digitale Transformation ist groß. Dahinter steht am Ende auch nicht weniger als die Frage danach, wie wir als Menschheit in Zukunft zusammen leben wollen. Bei dieser großen Frage will ich mir nicht anmaßen zu behaupten, ich allein könnte die beste Antwort auf diese Frage finden, ja ich würde sogar sagen sogar wir als GRÜNE insgesamt, zumal noch in Deutschland, können das nicht. Hier wird sich eine Antwort frühestens auf europäischer Ebene finden lassen. Aber so wenig wie Deutschland eine Insel ist, ist es die Europäische Union. In einer globalisierten Welt sind alle auf die ein oder andere Art miteinander verbunden. Eine unglaubliche Vielfalt macht die Welt aus und das ist gut so. Das bedeutet allerdings auch, dass eine Vielzahl an Kulturen sowohl gesellschaftlicher als auch politischer Natur von der digitalen Transformation betroffen sind. Das kann und soll nicht glatt gestrichen werden. Es ist aber klar, dass sich die Art wie internationale Beziehungen funktionieren, hier deutlich verändern wird. Wie das in Zukunft funktioniert, wie wir wollen, dass das in Zukunft funktioniert, das werden wir im kommenden Jahrzehnt aushandeln müssen, nicht nur mit GRÜNEN, sondern breit und parteiübergreifend. Unsere Werte entscheiden hier aber, was wir in diesen Prozess mit hereinbringen. Am Ende soll die digital-globale Gesellschaft doch eine nachhaltige und gerechte, also eine mit klar grüner Handschrift sein.
Mit der digitalen Transformation: Das Bedingungslose Grundeinkommen
Mit dem bei der vergangenen Bundesdelegiertenkonferenz beschlossenem Grundsatzprogramm haben wir die Richtung vorgegeben, die GRÜN bei diesem gesellschaftlichen Aushandlungsprozess gehen wird. Das Bedingungslose Grundeinkommen (kurz BGE) wird Leitlinie unseres politischen Bestrebens im sozialen Bereich sein. Teilweise wird angenommen, durch die Digitalisierung würden keine Arbeitsplätze wegfallen, schließlich wäre das bei der industriellen Revolution als von den Auswirkungen her vergleichbarer gesellschaftlicher Wendepunkt auch nicht passiert. Für weggefallene Arbeitsplätze würden in gleichem Maß im Digitalsektor neue entstehen. Wer das behauptet, irrt: Der entscheidende Unterschied zwischen den Arbeitsplätzen die durch die digitale Transformation und die Industrielle Revolution entstehen bzw. entstanden sind, liegt in der Qualifikation der Beschäftigten. In der industriellen Revolution wurde eine große Zahl ungelernter Arbeiter*innen benötigt, jede*r konnte also die neu entstandenen Arbeitsplätze füllen. In der Digitalisierung ist das anders, hier entstehenden vor allem solche Arbeitsplätze, für die hoch qualifizierte Mitarbeiter*innen benötigt werden – sie können nicht einfach mit Menschen gefüllt werden, deren Arbeitsplätze beispielsweise in der Produktion wegfallen.
Die Perspektive auf ein Bedingungsloses Grundeinkommen stimmt mich hier aber optimistisch: Dadurch, dass Menschen grundsätzlich finanziert sind, haben sie die Chance, dem nachzugehen, was sie wirklich erfüllt. Damit werden Tätigkeiten möglich, die ansonsten wirtschaftlich nicht möglich oder nur kleinen wohlhabenden Gruppen vorbehalten wären. Beispielhaft sei hier die Herstellung von bestimmten Produkten in Handarbeit genannt.
Mit der digitalen Transformation halte ich das Grundeinkommen für finanzierbar (das grüne Netzwerk Grundeinkommen übrigens auch).
Teilweise wird befürchtet, dass mit einem Grundeinkommen die Wirtschaft zum erliegen kommt. Wenn man es richtig gestaltet, wird das sicherlich nicht passieren. Mein Vorschlag dazu: Lasst es uns einfach ausprobieren und schauen, was passiert. Befristet auf zwei Jahre, 1.000 zufällig ausgewählte Bürger*innen. Trial and Error war schon immer das bessere Prinzip als Weisheit beim ersten Schritt zu erwarten.
Die Fokusbreiche
Was dann noch für die Digitale Transformation nötig ist, das lässt sich in zweierlei Kategorien aufteilen: Die Fokusbereiche und die Querschnittsbereiche. Die Fokusbereiche sind diejenigen, die in der Digitalisierung selbst Wurzeln und der Saft sind, der sie nährt. Das ist beispielsweise die Infrastruktur, das sind aber auch Regelungen zur Plattformökonomie, zu Hassrede im Netz oder die Forschung an künstlicher Intelligenz. Was in den Fokusbereichen geleistet wird, ist, der Digitalisierung in den Querschnittsbereichen Schwung zu geben und Probleme zu Lösen, die selbst aus der Digitalisierung hervorgehen.
Die Querschnittsbereiche
Die Querschnittsbereiche sind dann die Bereiche, in denen die eigentlichen Potentiale der Digitalisierung für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit realisiert werden können. Das funktioniert nur durch gute Vorarbeit in den Fokusbereichen: Ohne die passende Infrastruktur, bspw. schnelle Internetanschlüsse bei Privatwohnungen, ist Home Office und damit verbunden eine Einsparung an CO2 nicht möglich. Nahezu jeder Themenbereich stellt einen Querschnittsbereich der Digitalisierung dar. Hier ist es wichtig, dass die muss die Digitalisierung von den Fachpolitiker*innen konsequent mitgedacht werden.
* Nach der Studienlage ist das nicht ganz unumstritten. Insgesamt scheint eine Tendenz allerdings in Richtung eines nicht unerheblichen positiven Effektes zu gehen. Problematisch ist dabei, dass die Ergebnisse der Studien zu einem Großteil auf Annahmen und nicht empirischen Daten basieren (das kritisiert vorsichtig u.A. auch eine Studie von Nele Friedrichsen am Fraunhofer ISI). Bis zu einer verstärkten Umsetzung wird es allerdings an entsprechenden empirischen Daten mangeln.