Verwaltungsdigitalisierung

Worum geht’s?

Es geht darum, dass Dienste der Verwaltung durch Bürger*innen auch digital genutzt werden können und darum, dass innerhalb der Verwaltung digital gearbeitet wird. So kann in einer digitalisierten Verwaltung alles von der Parkberechtigung für Schwerbehinderte bis zum Führungszeugnis oder Fischereischein online beantragt werden. Für Serviceleistungen, bei denen eine persönliche Anwesenheit erforderlich ist (z.B. Ummeldung, Anmeldung eines KFZ) können alle erforderlichen Nachweise bereits online eingereicht werden, sodass es vor Ort schneller geht. Auch verwaltungsinterne Prozesse, wie beispielsweise Mitzeichnungen, sollen digital abgebildet werden.

Darum ist das wichtig:

  • Die Lebenswirklichkeit der Bürger*innen ist inzwischen digital. Auch mit der Verwaltung sollten sie so kommunizieren, wie sie es aus dem Alltag gewöhnt sind. Das macht Kommunikation einfacher, angenehmer und bringt sie auf Augenhöhe.
  • Verwaltung effizienter machen: Digitale Prozesse können schneller und effizienter sein als analoge. Bürger*innen profitieren so davon, dass ihre Anliegen schneller bearbeitet werden und innerhalb der Verwaltung bleibt mehr Zeit für gestaltende Tätigkeiten. Auch bei der Bekämpfung der Klimakrise sind häufig Genehmigungen (bspw. für den Bau von Windkraftanlagen) erforderlich, auch hier wird also von schnelleren Prozessen profitiert.
  • Transparenz ermöglichen: Erst die umfassende Digitalisierung aller Verwaltungsprozesse ermöglicht eine umfassende Transparenz. Unterlagen und Daten können so automatisch von persönlichen Daten bereinigt und dann veröffentlicht werden.

Status quo

Betrachtet man die Verwaltungsdigitalisierung aus Bürger*innensicht, dann ist Dreh und Angelpunkt sicherlich die Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes (OZG). Im Kern ist es Ziel des Gesetzes, dass 588 konkret benannte Verwaltungsleistungen online angeboten werden sollen. Von der Bundesregierung wurde das Ziel ausgerufen, dass das bis Ende 2022 abgeschlossen sein soll: Das wird nicht passieren. Auch scheint es das Missverständnis zu geben, dass es bereits einen Online-Service darstellt, wenn man die Formulare online zu ausdrucken bereitstellt (Hier einmal am Beispiel des Kindergeldantrags). Ein weiterer wichtiger Baustein für eine digitalere Verwaltung ist die Registermodernisierung. Aktuell werden bei verschiedenen Behörden Register mit unterschiedlichen Daten geführt. So führen die Finanzämter Register über die steuerlichen Daten von Bürger*innen und die Amtsgerichte mit den Grundbüchern oder Handelsregistern Register in denen vermerkt ist, welche Grundstücke welchen Bürger*innen gehören oder an welchen Unternehmen Bürger*innen beteiligt sind. Die Idee von modernen digitalen Registern ist nun, dass man bspw. zum Nachweis eines Grundstückskaufs Daten von dem Grundbuch automatisiert an die Finanzämter übertragen kann. Das kann entweder datenschutzfreundlich nur auf Anforderung des*der Bürger*in geschehen oder aber automatisch übertragen werden. Die Modernisierung der Register soll durch das Registermodernisierungsgesetz (Link zum Referentenentwurf) geregelt werden. Dabei wird nach den Plänen der Bundesregierung die Steuer-ID das zentrale Merkmal zur Identifizierung eine*r Bürger*in. Dieses Vorgehen ist nach überwiegender Meinung verfassungswidrig (siehe dazu die Stellungnahmen zum Referentenentwurf zur öffentlichen Anhörung), weil dadurch gläserne Bürger*innen geschaffen werden. Daneben machen Projekte wie die DE-Mail, das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) oder das besondere elektronische Notarpostfach (beN) eindrucksvoll vor, wie Digitalisierung nicht funktioniert.

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass die Ziele der Verwaltungsdigitalisierung ebenso wie die Klimaziele krachend verfehlt werden. Dieser Rückstand soll nach dem Willen der Bundesregierung nun durch schnelle Maßnahmen, die das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzen, aufgeholt werden.

Wie kommen wir hier voran:

Registermodernisierung: Dezentral, Bürger*innengesteuert und verschlüsselt

Damit es in der Verwaltungsdigitalisierung in Bezug auf die Bürger*innendienste voran geht ist eine gute Datengrundlage Grundvoraussetzung. Die Registermodernisierung ist hierfür dringend anzugehen. Hierbei müssen allerdings die Grundrechte der Bürger*innen geachtet werden. Die Technologie steht bereits zur Verfügung und ein Konzept zur Umsetzung könnte so aussehen: Anstatt Daten bei Behörden unter einer zentralen Bürger*innennummer (der Steuer-ID) zu speichern, können Behörden stattdessen eigene Bezugsnummern verwenden, die da wo es gesetzlich vorgeschrieben ist, über eine dritte Stelle ausgetauscht werden können. Dieser Datenaustausch zwischen den Behörden muss dabei verschlüsselt und bspw. durch eine Blockchain öffentlich nachprüfbar erfolgen. Sollen Daten zwischen Behörden ausgetauscht werden, bei denen dieser Datenaustausch gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, darf dies nur auf Grundlage einer Einwilligung der Bürger*innen geschehen, deren Vorhandensein kryptografisch erzwungen werden muss. Eine derart umgesetzte Registermodernisierung ist zweifelsohne aufwändiger und langwieriger als das, was die Bundesregierung aktuell plant. Nichtsdestoweniger dürfen bei einem System, das uns voraussichtlich über mehrere Jahrzehnte begleiten wird, keine Abstriche in Sachen Datenschutz und Sicherheit gemacht werden.

Potential des Personalausweises nutzen

Der Personalausweis ist inzwischen flächendeckend an Bürger*innen ausgegeben, seine Potentiale werden jedoch nicht genutzt. Als einzige digitale Funktion für Bürger*innen steht die Online-Ausweisfunktion zur Verfügung, die für Anbieter*innen derart komplex und aufwändig zu implementieren ist, dass eine Nutzung außerhalb von Behörden sich kaum etabliert hat. Dass das auch anders geht, zeigt das Beispiel Estland. Der dortige Ausweis ist zeitgleich digitale ID für e-estonia und wird von 67 % der estnischen Bevölkerung regelmäßig digital genutzt. Neben dem digitalen „Ausweisen“ können Bürger*innen dort mit ihrer ID-Card auch eIDAS-konform signieren und damit vollkommen digital Verträge abschließen. Die notwendigen technischen Voraussetzungen für solche digitalen Signaturen bringt der Bundespersonalausweis auch mit. Einige Jahre nach Einführung des neuen Personalausweises war es möglich, Zertifikate für die so genannte qualifizierte elektronische Signatur (qeS) nachzukaufen und auf den Personalausweis aufzuladen. Dass die Bürger*innen das Zertifikat nicht automatisch und kostenfrei erhalten haben, hat der Nutzung sicherlich keinen Vorschub geleistet. Inzwischen wurde diese Funktion allerdings auch sang und klanglos wieder abgeschaltet. Sie muss wiederkommen und zwar mit kostenlosen Zertifikaten für alle die Bürger*innen. Die nach der eIDAS für die Ausstellung von Signaturzertifikaten erforderliche Überprüfung wird bei der Ausstellung jedes Ausweises ohnehin vorgenommen. Zuletzt bringen solche Zertifikate auch das Potential mit von Bürger*innen für die Verschlüsselung genutzt zu werden. Damit wird sichere Behördenkommunikation erst ermöglicht. Dass auch dieses Potential nutzbar ist, zeigt wieder das Beispiel Estland.

DE-Mail ist tot. Zeit für etwas Neues.

In der Kommunikation zwischen Bürger*innen und Behörden braucht es sichere Kommunikationsmöglichkeiten. Dafür wurde vor einigen Jahren die DE-Mail eingeführt. Schon 2015 schrieb Netzpolitik.org über die DE-Mail „Das tote Pferd wird weitergeritten“. Noch ein bisschen davor (2013) fasste Linus Neumann vom Chaos Computer Club die DE-Mail in einem Vortrag beim 30. Chaos Communication Congress mit unter „Bullshit made in Germany“ (YouTube-Link zum Vortrag). Anstatt eines einheitlichen Bürger*innenpostfachs für alle offiziellen Angebote gibt es digitalen Wildwuchs: DE-Mail, beA, beN, eArztbrief und dergleichen mehr. Die Umsetzungen jagen sich darin, wie groß sie daneben gehen. So hat beispielsweise die zwangsweise Einführung der DE-Mail an den Gerichten dazu geführt, dass Verfahren aufwändiger werden, weil digital per DE-Mail eingereichte Schriftsätze zunächst ausgedruckt werden müssen. Ähnlich stellt es sich bei angeschlossenen Behörden dar – Antworten kommen in jedem Fall natürlich per Post.

Hier braucht es einen digitalen Neustart. Unter Berücksichtigung der spezifischen Anforderungen der unterschiedlichen Fachbereiche braucht es ein einheitliches Bürger*innenpostfach. Daten zwischen Bürger*innen und Behörden, Gerichten, Ärzten und weiteren Parteien müssen dabei Ende-zu-Ende-Verschlüsselt übertragen werden. Bürger*innen greifen über dieses System mit ihrem Personalausweis zu.

Gutes Personal für eine gute Digitalisierung

Dass viele Digitalprojekte der öffentlichen Hand scheitern, liegt auch daran, dass diese personell im IT-Bereich schlecht aufgestellt ist. Dass wenige sehr kompetente IT-Menschen den Weg in die Verwaltung suchen, hat dabei vielfältige Ursachen: Zunächst ist die Bezahlung von sog. High Performern in der Verwaltung viel schlechter als in der freien Wirtschaft. Hinzu kommt allerdings auch, dass in der Verwaltung oft eine Kultur gelebt wird, die Innovationen unterdrückt. Amenities wie Obst, Sportangebote am Arbeitsplatz oder umfangreiche Freiheiten bei der Gestaltung der eigenen Arbeit, die bei Unternehmen seit Jahren auf dem Vormarsch sind, sucht man in der Verwaltung vergebens. Auch gibt es gerade im IT-Bereich sehr viele Seiteneinsteigerinnen, die sich Kompetenzen selbst angeeignet haben, hier sind die Barrieren in der Verwaltung besonders hoch. Dass es nach alldem an dem wirklich guten Personal fehlt, ist da keine Überraschung. Hier braucht es ein Umdenken, denn nur mit gutem Personal, dass die Digitalisierung gut umsetzt und das auch bei den übrigen Beschäftigten die Begeisterung für die Digitalisierung weckt, kann die Verwaltung hier vorankommen.